Prof. Düx über MRgFUS: Schonendes Verfahren für Behandlungen ohne Eingriff

08.02.2022
Matthias Kühn
Redakteur

Als wir vor einer Weile den renommierten Radiologen Prof. Dr. med. Markus Düx und seine innovative Ultraschallmethode namens MRgFUS vorstellten, waren viele überrascht. Denn mit diesem äußerst schonenden Verfahren gelingt es, teils sehr schmerzhafte Erkrankungen und Symptome erfolgreich zu behandeln – und das komplett ohne Eingriff. So wurden zahlreiche Menschen auf das MRgFUS-Zentrum der Radiologie Prof. Dr. Markus Düx aufmerksam, das mit den Standorten Frankfurt und Königstein im Taunus eine Vorreiterrolle in dieser nach wie vor neuartigen Methode einnimmt.

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Im ersten Teil des Gesprächs ging es um Anwendungen und Behandlungsformen mit MRgFUS, etwa bei Myomen, schmerzhaften Facettengelenksarthrosen oder bei Knochentumoren. Wir haben erfahren, dass sich mit dem hochfokussierten Ultraschall im technischen Sinne eine Hitze von bis zu hundert Grad Celsius erzeugen lässt, die dann auf die Zielstruktur gerichtet wird. Mit Hilfe des MRT lässt sich die Temperaturentwicklung messen, außerdem kann man genau sehen, welche Energie im Gewebe generiert wird. Damit können Tumore zerstört werden – und es lassen sich Regenerationsprozesse bei Zellen auslösen, was bei Krebstherapien sehr hilfreich sein kann. Prof Düx wendet mit seinem Team in Frankfurt und Königstein ausschließlich MRgFUS-Therapien an, die für den klinischen Einsatz bei Erkrankungen zugelassen sind – etwa bei Osteoidosteomen: Bei diesen oft winzigen Knochentumoren, die hauptsächlich bei Kindern vorkommen, ist die schonende Ultraschallmethode „die Therapie der Wahl“, wie Prof. Düx es formulierte.

Inzwischen wird MRgFUS auch erfolgreich bei Prostatakrebs eingesetzt – und es hilft, die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden. Was es damit auf sich hat und wie es um die Zukunftsaussichten der Innovation geht, darum geht es in dieser Fortsetzung. Zugeschaltet zur Videokonferenz war auch Dr. Daniel Düx, der an der kalifornischen Stanford University ein Jahr lang Forschungen zum Thema betrieb.

Leading Medicine Guide: Herr Professor Düx, könnten Sie noch einmal kurz umreißen, um was es bei MRgFUS eigentlich geht?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Gern, sicher. MRgFUS steht für Magnetresonanztomographie gesteuerte fokussierte Ultraschallwellentherapie. Diese Therapiemethode kann bei gewissen Krankheitsbildern einen operativen Eingriff ersetzen. Hochfokussierter Ultraschall wurde zwar bereits in den Neunzigerjahren klinisch eingesetzt, beispielsweise in der Urologie, allerdings rein physikalisch und ohne MR-Kontrolle. Mit der Magnetresonanztomographie kann man Temperaturen messen. Das ist zwar auch lange bekannt, aber die Kombination dieser beiden Verfahren, dass also aus MRT und fokussiertem Ultraschall eine eigene Therapieeinheit entsteht – das ist relativ neu. Damit können wir geschädigtes Gewebe mit hochenergetischem Ultraschall erhitzen und zerstören, anstatt es invasiv mit Nadel oder Skalpell zu entfernen.

Leading Medicine Guide: Und damit können Sie auch gegen Prostatakrebs vorgehen?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Genau. Wir zerstören Prostatakarzinome im frühen Stadium mit Hitze und MR-Kontrolle. Die Sonden, auf die die Elemente zur Erzeugung des hochfokussierten Ultraschalls aufgebracht sind, sind so klein gehalten, dass sie über den Enddarm eingebracht werden. Unser System ist momentan das einzige in Europa, das die Ultraschallquelle über den Enddarm einführt und noch während der Hitzebehandlung der Prostata das Ergebnis bzw. die Temperaturverteilung im Tumor und umliegenden Gewebe mit Hilfe des MRT anzeigt. So werden Ultraschallwellen in die Prostata eingestrahlt und dort der Tumor zerstört.

Leading Medicine Guide: ... ganz einfach durch Hitze.

Prof. Dr. med. Markus Düx: Durch Hitze. Diese Tumoren kann man ja heute mit MRT sehr gut diagnostizieren, man erkennt das Prostatakarzinom genau und kann bei der MR-gesteuerten Behandlung meistens problemlos einen Sicherheitsabstand zu gesundem Gewebe einhalten. Wenn man hingegen als Prostatapatient eine Operation über sich ergehen lassen muss, hat man es häufig mit Nebenwirkungen wie Inkontinenz und auch Erektionsschwächen zu tun – da gibt es ein hohes Nebenwirkungsprofil, vor dem wir Männer alle Angst haben. Auch wenn die Operationstechniken immer besser werden, ist das Risiko immer gegeben. Wenn in der Prostata das neurovaskuläre Bündel bei der Operation beschädigt wird, haben Patienten nach dem Eingriff oft unerwünschte Nebenwirkungen und Probleme. Mit dem MRT sehen wir das neurovaskuläre Bündel genau, daher können wir die MRgFUS-Therapie so steuern, dass wir die kritischen Strukturen umgehen und praktisch aus der Hitze nehmen. Wir behandeln also nur den Tumor mit Sicherheitsabstand und zerstören ihn. Diese Behandlung führen wir im Moment nur bei Prostatakarzinomen im frühen Stadium durch.

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Leading Medicine Guide: Warum das?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Zunächst einmal ist diese Krebsart sehr häufig. Fast jeder zweite Mann bekommt ein Prostatakarzinom. Wir sitzen jetzt zu dritt hier, und mit hoher Wahrscheinlichkeit wird einer von uns dreien im Laufe seines Lebens ein Prostatakarzinom entwickeln. Prostatakarzinome sind häufige Tumoren, an denen wir meist nicht sterben. Männer können mit der Diagnose Prostatakrebs durchaus alt werden, aber man muss ihn eben früh diagnostizieren und entfernen. Mit Hilfe des MRT werden Prostatakarzinome häufig früh entdeckt. Dann kann man auch frühzeitig lokal therapieren, ganz nach dem Motto „Wehret den Anfängen“. Ein frühes Prostatakarzinom ist fast immer auf die Prostata beschränkt, das rechtfertigt dann auch eine lokale Therapie mit Hitze. Bei einem fortgeschrittenen Karzinom bestehen häufig bereits Lymphknoten- oder Fernmetastasen, dann macht eine lokale Therapie keinen Sinn mehr. Ein Indikator für das Prostatakarzinom ist ein erhöhter PSA-Wert.

Leading Medicine Guide: PSA-Wert?

Prof. Dr. med. Markus Düx: PSA steht für das Prostata-spezifische Antigen, das ist ein Eiweiß, das nur die Zellen der Prostata produzieren. Das ist ein wichtiger Bestandteil der Prostataflüssigkeit, und in geringen Mengen ist das PSA auch im Blut nachweisbar. Wenn dieser Wert erhöht ist, sucht man eben nach einem Karzinom – und findet mit der Magnetresonanztomographie auch häufig eines. Wenn wir das Karzinom dann unter MR-Kontrolle biopsieren, können wir sagen, in welchem Stadium es sich befindet. Wir können durch frühe Diagnose Behandlungserfolge erreichen, damit Prostatakrebs möglichst wenige Männer so schädigt, dass sie daran sterben. Und natürlich ist es schön, dass Patienten einen solchen Tumor ohne Operation und damit ohne Nebenwirkungen und auch ohne Narben entfernt bekommen.

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Bestimmung des PSA-Wertes © jarun011 / AdobeStock 

Leading Medicine Guide: Aber gibt es nicht auch die Möglichkeit der Bestrahlung?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Eine Bestrahlung von Prostatakarzinomen in einem frühen Tumorstadium ist meist so, als würde man mit einer Kanone auf Spatzen schießen. Die Strahlentherapie hinterlässt Nebenwirkungen, nach einer Strahlentherapie können beispielsweise Jahre später Darmprobleme auftauchen – oder lebenslange Blasenentzündungen, die immer wieder aufflackern. Da ist MRgFUS eine sehr gute Alternative, weil man den Tumor mit einer einzigen Behandlung mit Hitze zerstört. Der Tumor ist nicht mehr existent, Nebenwirkungen sind die Ausnahme und falls das Karzinom wieder auftauchen sollte, kann man natürlich mit Hitze nachbehandeln. Hier schließt sich der Kreislauf, da wir mit dem MRT auch sehr gut die Narbe in der Prostata, die nach der Hitzebehandlung entsteht, kontrollieren können. Fehlende Tumoraktivität im MRT in Kombination mit dem Abfall des PSA-Wertes erlaubt zwischen einem Rezidiv und einer Narbe zu differenzieren. Wir können damit den Verlauf und die Behandlung im Ergebnis kontrollieren.

Leading Medicine Guide: Und wie lange dauert diese MRgFUS-Behandlung?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Die Behandlung eines Prostatakarzinoms dauert schon drei bis vier Stunden. Es ist ein aufwendiger Prozess, der Patient ist dabei in Vollnarkose. Die Patienten haben danach für zwei Tage einen Blasenkatheter – die Behandlung erfolgt ambulant und die Patienten gehen mit dem Blasenkatheter nach Hause, in der Regel völlig ohne Nebenwirkungen. Der Katheter wird nur deswegen belassen, um einen Harnverhalt zu vermeiden. Durch das Verkochen des Tumors kommt es zu einer Schwellung der Prostata für kurze Zeit, dadurch kann die Harnröhre komprimiert werden und ein Harnverhalt entstehen. Die Schwellung bildet sich meist innerhalb von zwei Tagen zurück, dann wird der Katheter gezogen. Die Anlage des Blasenkatheters ist also nur prophylaktisch. Nach der Behandlung steigt der PSA-Wert meist deutlich an, ein Zeichen, dass der Tumor zerstört wurde. Im Laufe der nächsten Wochen normalisiert sich der PSA-Wert. Der Verlauf des PSA-Wertes ist ein wichtiger Marker, anhand dessen wir erkennen können, ob der Tumor vollständig zerstört wurde oder ein neuer Tumor entstanden ist. Natürlich machen wir auch noch MR-Kontrollen, um den Patienten die entsprechende Sicherheit zu bieten.

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Leading Medicine Guide: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ein solches Karzinom auch wirklich entdecken?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Sehr hoch! Wir sind mittlerweile an einem Punkt, an dem die Diagnose des Prostatakarzinoms im MRT so gut ist, dass wir viele Karzinome früh entdecken. Noch vor wenigen Jahren wären diese nicht nachweisbar gewesen wären. Das heißt, wir entdecken heute kleine Karzinome in der Prostata, die Urologen mit dem Ultraschall gar nicht finden können. Wir haben in den letzten Jahren viel dazugelernt und die MR-Diagnostik der Prostata perfektioniert. Das gilt zumindestens für die Zentren und Radiologien, die MR-Untersuchungen der Prostata regelmäßig, meist mehrmals täglich durchführen. Zu uns kommen häufig Männer mit erhöhtem PSA-Wert, bei denen der Urologe nicht herausfinden konnte, ob ein Karzinom vorliegt oder nicht. Da sind wir extrem genau, das zeigen auch die Studien: Die Ausschlussdiagnostik eines sogenannten signifikanten Prostatakarzinoms liegt bei fast hundert Prozent; dabei sind signifikante Prostatakarzinome solche, die behandlungspflichtig sind, entweder durch eine Operation oder Strahlentherapie. Wir diagnostizieren aber auch die meisten nicht-signifikanten Prostatakarzinome, d. h. frühe Karzinomstadien, bei denen der Tumor auf die Prostata begrenzt ist. Diese Karzinome sind die Zielgruppe des MRgFUS, der Tumor wird durch Hitze zerstört und man kontrolliert eine Narbe. Aus der Sicht vieler Männer die wesentlich bessere Alternative im Vergleich zur aktiven Überwachung! Hier kontrolliert man das Karzinom, ob es wächst und zu einem signifikanten Karzinom wird. Man sieht also immer wieder im MRT auf den Tumor und hofft, dass sich dieser nicht verändert hat. Das kann mit der Dauer zermürbend sein.

Leading Medicine Guide: Warum ist das Verfahren dann nicht Standard in der Prostatabehandlung?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Langfristig hoffen wir, dass unsere Methode als Kassenleistung zugelassen wird – und dass das gesetzliche Gesundheitssystem diese Leistungen auf ambulanter Ebene erstattet. Das ist aber noch ein langer Weg, da wir dafür mehr Daten, insbesondere im Vergleich zur aktiven Überwachung benötigen. Wir wissen, das sechzig Prozent aller Männer mit einem frühen Prostatakarzinomstadium (Gleason 6 und 7) über einen Zehnjahreszeitraum kein signifikantes, behandlungspflichtiges Karzinom entwickeln. Deshalb gibt es ja auch das Konzept der aktiven Überwachung. Man kontrolliert das Karzinom und versucht, die Karzinome zu erkennen, die sich zu einem signifikanten Karzinom entwickeln. Diese werden behandelt, die anderen nur kontrolliert. Die Idee der fokalen Behandlung geht davon aus, dass sich die Zahl der aus frühen Tumorstadien entstehenden signifikanten Karzinome deutlich reduzieren lässt. Eine Narbe nach fokaler Therapie sollte im Idealfall frei von Karzinomzellen sein, daraus folgt, dass sich daraus auch kein signifikantes Karzinom entwickeln kann. Das ist eine andere Ausgangslage als die Kontrolle eines Karzinoms, selbst wenn es sich nur um ein frühes Tumorstadium handelt Die Wahrscheinlichkeit, dass sich dieses Karzinom transformiert, liegt wahrscheinlich höher. Die Logik muss allerdings erst bewiesen werden, dazu braucht es vergleichende Langzeitstudien, die es bisher noch nicht gibt. Deshalb ist die MRgFUS-Behandlung auf absehbare Zeit noch kein Standard in der Behandlung von Prostatakarzinomen! Momentan sind wir da eben noch in der Pionierphase: Wir haben mit Studien belegt, dass es funktioniert, die Zulassungen existieren. Die MRgFUS-Therapie von frühen Prostatakarzinomen ist mittlerweile auch von der FDA in de USA zugelassen. Dort sind die Hürden für die Zulassung eines neuen Behandlungsverfahrens sehr hoch, wie wir wissen. Allein das zeigt, dass unser MRgFUS-Verfahren hohe Potenzial besitzt – aber es wird in der Breite nicht angeboten. Auch weil es zu wenig Geräte gibt.

Leading Medicine Guide: Es gibt zu wenig Geräte?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Die HIFU-Therapie des Prostatakarzinoms gibt es schon lange und wird von Urologen in einzelnen Fällen eingesetzt. Die Hitzebehandlung mit HIFU über eine MR-Thermometrie in Echtzeit zu kontrollieren ist eine ganz andere Hausnummer. Sie benötigen dazu ein System wie unseren MRgFUS, bei dem der hochfokussierte Ultraschall in das MRT integriert ist. Der apparativ-technische Aufwand ist enorm, folglich sind es auch die Kosten. Viele Zentren scheuen die Investition, zumal auch die Vergütung der Fälle individuell geklärt werden muss. Es ist wie mit anderen Innovationen in der Medizin auch, aller Anfang ist schwer, die Hürden müssen wir nehmen. Aber ich glaube an den Erfolg, da ich im MRT das Ergebnis direkt zu sehen bekomme und dadurch den Unterschied zu einer normalen HIFU-Behandlung sichtbar machen kann. Wir können belegen, dass wir im Tumor achtzig Grad erreichen, weil wir über das MRT die Temperatur messen und sichtbar machen. Nur so gehen die Zellen systematisch kaputt. Wir wissen aus unseren Daten bereits, dass wir bei ca. siebzig Prozent der Behandlungen die Parameter verändern müssen, um die Therapie an die Beschaffenheit des Prostatagewebes anzupassen und eine homogene, vollständige Tumornekrose zu erzielen. Wenn man nur fünfzig Grad im Gewebe erreicht, dann lebt der Tumor weiter und wächst wieder. Das passiert im Zweifelsfall bei der reinen HIFU-Behandlung.

Leading Medicine Guide: Die HIFU-Behandlung ist also nicht MRgFUS?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Ja und nein! HIFU ist das Verfahren der Hitzeentwicklung. HIFU steht für hochintensiver fokussierter Ultraschall, den viele Urologen einsetzen. Da fehlt aber die MR-Kontrolle – und damit die Temperaturmessung. Somit lässt sich nicht kontrollieren, was erreicht wird. Da wird eine definierte Energie hineingeschossen und gehofft, dass der Tumor vollständig zerstört wird. Das ist er aber häufig nicht: Wir justieren bei den HIFU-Behandlungen in nahezu siebzig Prozent aller Fälle nach. Die Prostata ist meist sehr inhomogen – Narben, gutartige Wucherungen des Gewebes, Entzündungen, Verkalkungen, Karzinomzellen neben gut bzw. schlecht durchblutetem Gewebe verändern die Hitzeempfänglichkeit ein ums andere Mal. Das müssen wir bei der Behandlung berücksichtigen und die Parameter der Temperaturentwicklung regelmäßig anpassen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Dafür brauchen wir eine Rückkopplung über die Temperaturverteilung im Gewebe, und zwar noch während der Behandlung! Das ist MRgFUS! Wir zerstören den Tumor komplett und sehen bzw. messen das sofort. Im gesamten Umfeld der Prostata sehen wir, wo welche Hitze entsteht und können so gezielt die Behandlung anpassen. Gleichzeitig kontrollieren wir sensible Strukturen wie das neurovaskuläre Bündel, damit unerwünschte Nebenwirkungen der Prostatabehandlung nicht eintreten.

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Leading Medicine Guide: Warum gibt es dann nicht viel mehr dieser Geräte?

Prof. Dr. med. Markus Düx: Diese Art der Behandlung von Prostatatumoren ist noch sehr jung. Die FDA hat in den USA jüngst erst die MRgFUS aufgrund überzeugender Studiendaten zur Behandlung von Prostatakarzinompatienten zugelassen. Es ist auch so, dass man von diesem Thema überzeugt sein muss – und man braucht einen hohen Grad an Begeisterung. In Kliniken werden eben immer die Kostenfaktoren berechnet, und MRgFUS lässt sich kostentechnisch noch nicht vorrechnen. Aber wir glauben an diese Zukunftstechnologie – auch mein Sohn Daniel. Man muss die Technik weiterentwickeln, und man muss sie anbieten. Und genau das wollen wir. Man kann damit sehr viel bewirken. Die Akzeptanz von MRgFUS kommt später.

Leading Medicine Guide: Auch durch Forschungsarbeit natürlich.

Prof. Dr. med. Markus Düx: Genau. An der Standford University in Kalifornien laufen noch ganz andere Studien. Da ist das weltweit größte MRgFUS-Zentrum. Da kann aber mein Sohn mehr erzählen.

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Dr. med. Daniel Düx: Ich habe schon im Medizinstudium meinem Vater bei den Therapien zugeschaut und mich dann entschieden, dorthin zu gehen, wo vor allem in der Forschung das breiteste Spektrum zum Thema MRgFUS existiert. Dann kam das Angebot, ein Jahr in die USA zu gehen und dort an MRgFUS-Therapien teilzunehmen. An der Stanford University existiert das weltweit größte Kollektiv von Patienten die eine MRgFUS-Behandlung eines Desmoidtumors erhalten haben. Das sind seltene, aggressiv wachsende Weichteiltumore, die häufig weder operabel sind, noch auf andere Therapien ansprechen. Ich hatte die Möglichkeit erhalten, an der wissenschaftlichen Auswertung dieser einzigartigen Fallsammlung teilzunehmen. In Deutschland gibt es diese Patienten auch, aber es gibt keine derartigen Behandlungsangebote. Die Therapien, die mein Vater angesprochen hat, werden in Stanford auch alle durchgeführt. Dazu kommen MRgFUS-Behandlungen im neurologischen Bereich, dazu wird in Standford besonders viel geforscht.

Leading Medicine Guide: MRgFUS in der Neurologie?

Dr. med. Daniel Düx: Das Verfahren ist in der Neurologie in den USA bereits genauso etabliert wie in Deutschland beispielsweise die Behandlung von Uterusmyomen – und zwar beim Thema Zittern. Da geht es also um den Tremor, unter dem etwa Parkinson-Kranke leiden. MRgFUS ist natürlich auch in diesem Bereich eine symptomatische Therapie. In Stanford wird MRgFUS bei dieser Fragestellung häufig eingesetzt: Man kann bei Parkinson und anderen essenziellen Tremorerkrankungen die Symptome, die für eine Einschränkung der Lebensqualität sorgen, gut behandeln.

Leading Medicine Guide: Wie das?

Dr. med. Daniel Düx: Man geht normalerweise mit Medikamenten gegen das Zittern vor. Das Problem ist, dass solche Medikamente eine hohe Nebenwirkungsrate haben. Man braucht auch mit der Zeit immer höhere Dosen, außerdem verlieren die Medikamente irgendwann ihre Wirkung. Und es ist ja nicht nur ein Zittern der Hand, das die Menschen einschränkt, viele können sich nur noch über einen Strohhalm ernähren und kaum noch sprechen. Das führt dann oft zu einer kompletten Isolation. Mit MRgFUS kann man das Zentrum im Gehirn, in dem das Zittern bei Parkinson ausgelöst wird, gezielt erhitzen und damit symptomatisch ausschalten.

Leading Medicine Guide: Hitze im Gehirn?

Dr. med. Daniel Düx: Zunächst nur wenig Hitze. Das Problem ist, dass dieses Zentrum ziemlich zentral im Gehirn sitzt. Wenn man mit einer Nadel versucht, dieses Zentrum zu stimulieren, muss man durch viele Strukturen hindurch, und dabei muss man sehr vorsichtig und entsprechend zurückhaltend sein. Dagegen ist MRgFUS etwas ganz anderes: Man geht mit dem Ultraschall durchs Gehirn durch, und nur der Punkt, in dem das Zittern entsteht, wird durch Hitze zerstört. Tatsächlich haben die meisten Menschen nach einer solchen Behandlung gar kein Zittern mehr. Es ist schön zu sehen, wie glücklich und erleichtert die Patienten danach sind.

Prof. Dr. med. Markus Düx: Dieses Verfahren macht man bei vollem Bewusstsein. Die Patienten sind also immer wach.

Dr. med. Daniel Düx: Genau. Die müssen auch wach sein, weil die Patienten ständig Feedback geben: Gibt es noch ein Zittern? Gibt es Nebenwirkungen? Man fängt mit niedrigen Temperaturen an, bei denen man nur stimuliert, ohne etwas zu zerstören, aber die Wirkung ist für eine Viertelstunde da. Das macht die Therapie auch so sicher, weil man erst dann, wenn man ganz genau weiß, dass man die richtige Stelle hat, eine permanente Läsion setzt. So wird das Zittern gut behandelt.

Prof. Dr. med. Markus Düx: Auch die Blut-Hirn-Schranke lässt sich über MRgFUS öffnen. Dazu wird in Stanford auch viel geforscht.

Dr. Daniel Düx: Das ist ein weiteres spannendes Thema. Wir hatten es ja gerade davon: Wenn Medikamente nur mit einer hohen Dosierung eine Wirkung erreichen, liegt das an der ziemlich dichten Blut-Hirn-Schranke. Das heißt: Der Austausch zwischen Blut und Gehirn ist limitiert, weshalb man ja auch Tumoren im Gehirn nicht so effektiv mit Chemotherapien behandeln kann – weil diese Mittel nicht gut ins Gehirn kommen. Um an dieser Schranke vorbeizukommen, müsste man eine Dosierung wählen, die der Patient nicht aushalten würde.

Leading Medicine Guide: Und wo kommt da MRgFUS ins Spiel?

Dr. med. Daniel Düx: Man kann über die Blutbahn kleine Luftbläschen ins Gehirn transportieren, die man dann im Bereich des Tumors mit MRgFUS zum Schwingen bringt. Diese Schwingungen öffnen gezielt für bis zu 24 Stunden die Blut-Hirn-Schranke, wodurch Medikamente eindringen und im Tumor wirken können. So können Chemotherapeutika in geringer Dosis im Gehirn eingesetzt werden. Studien haben gezeigt, dass das gerade bei Hirntumoren mit schlechter Prognose gut funktioniert. Das hat therapeutisch und diagnostisch eine enorme Relevanz. Man kann so auch psychische Erkrankungen mit Medikamenten behandeln, bei denen die Wirkstoffe durch das vorübergehende Aussetzen der Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn kommen. Viele Patienten nehmen diese Medikamente wegen der starken Nebenwirkungen gar nicht ein – da wäre diese Methode eine Lösung mit großem Potenzial.

Prof. Dr. med. Markus Düx: Es werden in Zukunft noch viele Indikationen hinzukommen – etwa um die Wirksamkeit von Medikamenten bei inoperablen Tumoren der Bauchspeicheldrüse zu erhöhen. Das wird sich in den nächsten Jahren klären, wie wir MRgFUS noch einsetzen können. Wir sind absolut davon überzeugt, dass hier große Erfolge auf uns warten. Natürlich müssen wir abwarten, bis Studien die ganzen Vorteile, von denen wir überzeugt sind, auch wirklich belegen.

Leading Medicine Guide: Wenn sich hochspezialisierte Mediziner wie Sie so sehr engagieren, dürfte der Erfolg nicht lange auf sich warten.

Prof. Dr. med. Markus Düx: Man sieht das an den Patienten: Es sind ja fast alles ambulante Behandlungen. Vor allem bei Kindern sieht man das sofort! Wenn ein gutartiger Tumor im Hüftgelenkt wie das Osteoidosteom starke Schmerzen und eine Bewegungseinschränkung hervorruft, dann können wir mit dem Ultraschall den Tumor abtöten. Ganz ohne Röntgenstrahlung, ohne Skalpell oder verstümmelnde Narben! Nach der Behandlung erfahren wir unmittelbar den Effekt! Kinder simulieren ja nicht, und schon beim Verlassen unseres Therapiezentrums sehen wir gleich ein ganz anderes Gangbild, da die Schmerzen nicht mehr da sind. In manchen Situationen können wir heilen, in vielen Situationen auch nur Beschwerden lindern, zumindestens für eine gewisse Zeit – das hilft den Patienten häufig sehr und das gute bei MRgFUS ist, dass die Behandlungen wiederholt werden können. MRgFUS ist eine Methode, die praktisch ohne Nebenwirkungen in kurzer Zeit Erfolge zeigt.

Leading Medicine Guide: Was natürlich ein Ansporn ist.

Prof. Dr. med. Markus Düx: Sicher. Viele Patienten kommen wieder. Wenn es uns beispielsweise gelingt, Menschen vorübergehend Rückenschmerzen zu nehmen – dann kommen die Patienten wieder, wenn die Schmerzen wieder auftauchen. Man braucht keine Spritze und keine Nadel, und man hat große Effekte. Das ist ja das Tolle an der Methode – auch für mich als Therapeuten.

Dr. med. Daniel Düx: Sie dürfen nicht vergessen, dass wir auch sehr seltene Tumore mit MRgFUS behandeln, die häufig in der Nähe von Nerven wachsen. Da entstehen große Schmerzen und auch Muskelausfälle. Bis vor wenigen Jahren wurden diese Tumoren operiert. Ich habe ja knapp zwei Jahre in der Chirurgie gearbeitet, und das erlebt: Bei solchen Operationen wird oft sehr viel Gewebe entnommen. Wenn solche Tumoren nichtinvasiv entfernt werden können, ist das eine starke Entwicklung. Und wenn wir mit MRgFUS nur dafür sorgen können, dass Chemotherapeutika in kleiner Dosis einsetzbar werden und damit ohne allzu große Nebenwirkungen arbeiten können, ist das vor allem bei jungen Patienten ein gewaltiges Plus.

Leading Medicine Guide: Wir bedanken uns herzlich für das Gespräch – und wünschen Ihnen, dass das MRgFUS noch in vielen weiteren Bereichen mit Erfolg zum Einsatz kommt.

Weitere Informationen gibt die Profilseite von Prof. Dr. med. Markus Düx. Darüber kann man auch direkt mit dem renommierten Spezialisten Kontakt aufnehmen.

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