Eingeweidebrüche – 350.000 OPs im Jahr. Das sollten Sie wissen

26.07.2019
Leading Medicine Guide Redaktion
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Jedes Jahr werden in Deutschland rund 350.000 Hernienoperationen durchgeführt. Unter einer Hernie versteht man den Fall, wenn Eingeweide, vor allem Teile des Darms, aus einer Schwachstelle der Bauchwand oder des Zwerchfells heraustreten. Ein solcher Eingeweidebruch tritt häufig in der Leiste, am Nabel oder an der Narbe einer früheren Operation auf. Dies kann sehr schmerzhaft sein und auch zu einem Darmverschluss führen. Da sich eine Hernie nicht von selbst zurück entwickelt, muss sie in der Regel operativ behandelt werden.

Dr. Sporn

Eine Operation variiert hierbei vom einfachen Nahtverschluss bis hin zur Bauchwandverstärkung durch Kunststoffnetze oder biologische Netze. Wir freuen uns, mit dem renommierten Facharzt Assoc. Professor Priv.-Doz. Dr. Emanuel Sporn aus Wien über dieses Thema sprechen zu können. Prof. Dr. Sporn ist Facharzt für Chirurgie, Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie und hat sich auf Hernienchirurgie spezialisiert und kennt sich daher mit dieser Erkrankung bestens aus.

Professor Dr. Sporn, Sie betreiben zwei Privatordinationen in Wien und sind ein anerkannter Experte im Bereich der Hernienchirurgie. Was gehört zu Ihren häufigsten Behandlungen?

Prof. Sporn: Im Bereich der Hernienchirurgie ist man am häufigsten mit Leistenbrüchen und Nabelbrüchen konfrontiert. Das Lebenszeitrisiko, eine Leistenhernie zu entwickeln, liegt beim Mann bei etwa 27 % und bei der Frau bei 3 %. Beispielsweise werden in Deutschland pro Jahr in etwa 200.000 Leistenhernienoperationen durchgeführt. Leistenbrüche sollten wenn möglich minimalinvasiv, also ohne großen Bauchschnitt, operiert werden, da bei diesen Methoden die Patienten rascher wieder belastbar sind. Auch die Langzeitergebnisse hinsichtlich der Beschwerdefreiheit können sich sehen lassen. Diese Techniken erfordern eine große Expertise, um entsprechend gute Ergebnisse zu erzielen. Die laparoskopische Leistenbruch-Operation (TAPP) ist somit eine meiner Lieblingsoperationen, die ich dementsprechend weiterentwickelt und perfektioniert habe und sehr häufig durchführe.

Kind mit Bauchschmerzen

Wie kann man sich eine Hernie, also einen Bruch im Bauchraum vorstellen?

Prof. Sporn: Der Bauchraum mit all seinen Organen wird von der Bauchdecke, die aus verschiedenen Schichten von Muskulatur und Bindegewebe besteht, zusammengehalten. Es gibt einige sogenannte Prädispositionsstellen, an denen es zu einer Schwäche der Bauchdecke und in weiterer Folge zur Entstehung einer Hernie kommen kann. Dies ist sehr häufig der Leistenbereich: Dieser ist einerseits relativ muskelschwach ausgeprägt, zum anderen befindet sich dieser im unteren Bereich des Bauches, der entsprechend der Schwerkraft einer höheren Druckbelastung durch die Organe wie z.B. dem Darm ausgesetzt ist. Es trifft besonders den Mann, da beim männlichen Embryo die Hoden aus dem Bauchraum durch die Leistenkanäle in den Hodensack wandern, weshalb der Mann in diesem Bereich eine zusätzliche Schwächung der Bauchdecke ausweist. Leistenbrüche kommen bei Männern etwa 9 Mal so häufig vor wie bei Frauen.

Eine weitere Schwachstelle stellt der Nabel dar, da man in der Mittellinie der Bauchdecke keine Muskulatur hat und im Bereich des Durchtritts der Nabelschnur oft eine kleine Öffnung bestehen bleibt. Diese kann sich bei Gewichtszunahme oder insbesondere während Schwangerschaften ausweiten, was dann in der Entstehung einer Nabelhernie resultiert. Weitere Schwachstellen können im Narbenbereich der Bauchdecke nach einer Bauchoperation entstehen – man spricht in diesem Fall von einem Narbenbruch.

Eine Spezialform der Hernie ist der Zwerchfellbruch. Hierbei kommt es im Zwerchfell zu einer Ausweitung der Durchtrittsöffnung für die Speiseröhre. Ein Teil des Magens kann dadurch in den Brustkorbbereich gedrückt werden, was bei entsprechenden Symptomen auch eine operative Therapie notwendig machen kann.

Hernienchirurgie

Woran merkt der Mensch, dass ein Bruch im Bauchraum vorliegt?

Prof. Sporn: Die meisten Patienten bemerken eine Vorwölbung im Bereich der Bauchdecke, welche insbesondere beim Husten und beim Pressen größer wird und im Liegen häufig verschwindet. Das Vorhandensein einer Hernie muss nicht zwangsläufig mit Beschwerden verbunden sein. Häufig berichten die Patienten auch über ein Ziehen, einen Druck oder über Schmerzen im Bereich der Hernie. Weitere Symptome können auch Verdauungsprobleme sein.

Kann jemand veranlagt sein für Hernien?

Prof. Sporn: Ja, bei einem Teil der Patienten besteht eine Veranlagung für Hernien im Sinne einer Gewebeschwäche. Weitere Risikofaktoren sind Übergewicht und die häufige Betätigung der Bauchpresse (etwas durch Verstopfung oder stattgefundene Schwangerschaften).

Bauchuntersuchung

Offene Operationen im Bauchraum (bei einem Bruch) werden mit oder ohne Netz durchgeführt. Wo liegt hier der Unterschied? Nach welchen Kriterien wird hier entschieden?

Prof. Sporn: Die Entscheidung, ob man ein Netz verwendet oder nicht, macht man von verschiedenen Faktoren abhängig. Eine der wichtigsten Kriterien ist hierbei die Größe der Hernie bzw. deren Bruchpforte. Wir wissen, dass die Rezidivrate, also das neuerliche Auftreten einer Hernie, nach erfolgter Operation ohne Netz mit der Größe der Bruchpforte proportional ansteigt. Patienten, die übergewichtig sind oder die schwere körperliche Tätigkeiten ausüben, profitieren auch bei kleineren Hernien von der Implantation eines Kunststoffnetzes.

Professor Dr. Sporn, vielen Dank, dass Sie uns das Thema Hernien und die heutigen Behandlungsmethoden näher gebracht haben! 


Der Facharzt für Chirurgie, Viszeralchirurgie und Gefäßchirurgie Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Emanuel Sporn ist Spezialist für Bauch- und Brustchirurgie in Wien, wo er zwei Privatordinationen betreibt. Seine Schwerpunkte sind die Hernienchirurgie, Brustkrebschirurgie, Magen- und Darmchirurgie (inkl. Magen- und Darmspiegelungen), onkologische Chirurgie und Gallenblasenchirurgie. Prof. Sporn absolvierte darüber hinaus Zusatzausbildungen, wie etwa für die Gefäßchirurgie. Diese helfen ihm einerseits, Erkrankungen besser zu beurteilen, und andererseits sind damit Großeingriffe bei Tumorpatienten sicherer zu bewältigen und kritische Situationen während eines Eingriffs zuverlässiger in den Griff zu bekommen.

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