Ein Traumazentrum par excellence: Prof. Kröber im Gespräch

15.07.2022
Claudia Dechamps
Redakteurin

Prof. Dr. med. Markus Kröber zählt als Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie an der Helios Klinik Rottweil zu den führenden Wirbelsäulenspezialisten Deutschlands. Die von ihm geleitete Fachklinik an der Helios Klinik Rottweil verfügt über drei Schwerpunkte: die Versorgung von Deformitäten der Wirbelsäule, die Tumorchirurgie der Wirbelsäule und die Traumaversorgung. Das zertifizierte Traumazentrum der Klinik gehört zum Traumanetzwerk Schwarzwald Baar und besitzt so in der gesamten Region eine große Bedeutung. Im Interview mit Leading Medicine Guide gibt Prof. Kröber Einblicke in die Arbeit seiner Fachklinik – und erklärt, welche Aufgaben ein Traumazentrum eigentlich hat.

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Leading Medicine Guide: Ein Verkehrsunfall, ein Unfall beim Sport oder bei der Arbeit – und plötzlich muss es mit Blaulicht oder Hubschrauber ins Krankenhaus oder in ein speziell darauf eingestelltes Traumazentrum gehen. Als Betroffener kriegt man in der akuten Situation von allen Prozessen, die da professionell ineinandergreifen, kaum etwas mit. Was muss man sich unter einem zertifizierten Traumazentrum vorstellen?

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Die Helios Klinik Rottweil ist im Traumanetzwerk Schwarzwald-Baar innerhalb der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie organisiert. Wir decken ein großes Versorgungsgebiet ab und haben die nachgewiesene Expertise zur Versorgung von Schwerverletzten. In unserer Klinik werden unter anderem Patienten mit komplexen Verletzungen der Wirbelsäule nach den neuesten Standards behandeln. Von der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie werden wir regelmäßig als Traumazentrum zertifiziert, das bescheinigt uns eine besondere Versorgungsqualität. Unsere Klinik verfügt über einen Hubschrauberlandeplatz, so dass Notfallpatienten auch schnell auf dem Luftweg gebracht werden können. In der Zentralen Notaufnahme haben wir einen Schockraum und ein CT, das 24 Stunden in Bereitschaft ist.

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Leading Medicine Guide: Das große Versorgungsgebiet bedeutet ja auch gleichzeitig lange Anfahrtswege. Werden Unfallpatienten mit Wirbelsäulenverletzungen direkt zu Ihnen in die Helios Klinik Rottweil gebracht oder geschieht das auch auf dem Umweg über ein kleineres, allgemeines Krankenhaus?

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Das kommt auf die Situation an. Oft entscheidet der Notarzt direkt vor Ort, dass die Helios Klinik Rottweil angefahren wird. Auch Mediziner von uns fahren übrigens im Notarzt-Einsatz. Oder aber der Patient kommt zuerst in ein Krankenhaus, das nicht auf Wirbelsäulenverletzungen spezialisiert ist, und bei den ersten Untersuchungen stellt sich dann heraus, dass er bei uns besser aufgehoben ist. Mithilfe der Telemedizin tauschen wir Ärzte uns anhand der Röntgenbilder und Befunde aus und beurteilen gemeinsam die Lage. Die Helios Klinik Rottweil hat schon früh in diese Techniken investiert, die Telemedizin macht gerade in unserem großen Versorgungsgebiet die Arbeit effizienter und einfacher.

Leading Medicine Guide: Sie stehen mit Ihrem Team an 365 Tagen rund um die Uhr für die Behandlung von Schwerverletzten bereit. Da gibt es sicher oft Situationen, die für einen hohen Adrenalinausstoß sorgen, oder?

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Adrenalin ja, aber Hektik nein. Denn wir arbeiten nach klar definierten, international festgelegten Abläufen. Da ist jeder Handgriff genauestens festgelegt, alles greift ineinander. Mit unserem sehr erfahrenen Team können wir uns in kurzer Zeit ein Gesamtbild machen und entsprechend handeln. Rund um die Uhr sind wir in der Lage, alle Verletzungen der Wirbelsäule zu versorgen.

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Leading Medicine Guide: Ein zweiter Schwerpunkt der Orthopädie, Unfall- und Wirbelsäulenchirurgie an der Helios Klinik Rottweil ist die Versorgung von Deformitäten der Wirbelsäule. Was zählt dazu?

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Zu den Deformitäten der Wirbelsäule gehören vor allem Skoliosen und Kyphosen. Die operative Behandlung dieser Krankheitsbilder ist ein wichtiger Schwerpunkt unserer Klinik, und wir haben Patienten, die von überall her deswegen zu uns kommen. Unter Skoliose fassen wir Mediziner Krümmungen der Wirbelsäule zur Seite zusammen. Bei uns werden in erster Linie Skoliosen im Erwachsenenalter versorgt, sie stammen entweder noch aus der Kindheit oder Jugendzeit und wurden erst im Alter klinisch relevant. Oder sie haben sich als Folge von Abnutzungserscheinungen entwickelt – dann handelt es sich um eine sogenannte degenerative Skoliose. Ein Trauma, ein Tumor, eine Entzündung oder Osteoporose können ebenfalls eine Skoliose zur Folge haben. Leider beobachten wir eine Zunahme von Skoliosen, die umgangssprachlich auch Wirbelsäulenverkrümmung genannt werden. Bei der Kyphose haben wir das, was in der Laiensprache als Buckel bezeichnet wird – eine konvexe Krümmung der Wirbelsäule. Die Kyphosen entstehen im Alter häufig durch Wirbelbrüche als Folge von Osteoporose. Weil davon in erster Linie Frauen betroffen sind, nannte man das Phänomen früher oft auch Witwenbuckel.

Leading Medicine Guide: Wann kommen die Skoliose-Patienten zu Ihnen nach Rottweil?

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Sie kommen dann, wenn sie konservativ austherapiert sind. Wenn also mit Physiotherapie und Schmerztherapie keine Verbesserungen des Allgemeinzustands mehr zu erreichen sind. Dann macht die operative Therapie Sinn und gibt den Betroffenen wieder Lebensqualität zurück. Wenn man nichts unternimmt, schreiten Zustand und Schmerzbelastung leider weiter fort.

Leading Medicine Guide: Wie sieht der Eingriff bei einer Skoliose aus?

Prof. Kröber: Operationen an der Wirbelsäule erfordern viel Erfahrung, technisches Können, eine hochmoderne Ausstattung im OP und ein erfahrenes, spezialisiertes Team. Schließlich haben wir ein sehr empfindliches Operationsgebiet und da geht es um Millimeterarbeit. Bei dem Eingriff richten wir die Wirbelsäule gerade und stabilisieren sie mit einem Schrauben-Stangen-System. Die Patientinnen und Patienten haben anschließend deutlich weniger Schmerzen, einen geraden Gang und gewinnen im Langzeitverlauf deutlich an Lebensqualität.

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Links: Schematische Darstellung von Skoliose. Rechts: Gesunde Wirbelsäule © Koterka Studio / AdobeStock

Leading Medicine Guide: Bei einer Kyphose gehen Sie ähnlich vor?

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Auch hier machen wir eine Aufrichtungsoperation. Die einzelnen Wirbelsäulensegmente werden wie eine Perlenkette aufgerichtet und stabilisiert. Manchmal kann es auch notwendig sein, Knochen aufzubauen, dann transplantieren wir Eigenknochen oder fügen Knochenersatzmaterial ein. Eine Knochendichtemessung gibt Aufschluss darüber, ob es sinnvoll ist, eine Osteoporose-Therapie nach dem Eingriff anzuschließen.

Leading Medicine Guide: Wie sieht die Reha nach einem Eingriff an der Wirbelsäule aus?

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Die ist etwas anders als zum Beispiel nach einer Endoprothetik-OP. Das liegt daran, dass der Heilungsprozess einfach ein anderer ist und die Knochenheilung zunächst abgeschlossen sein sollte. Unsere Patientinnen und Patienten können nach zwei bis drei Tagen wieder aufstehen, nach zehn bis vierzehn Tagen entlassen wir sie nach Hause. Dort sollen sie sich aber noch etwa sechs Wochen Ruhe gönnen, bevor die Reha beginnt. Nach dreiwöchiger Reha ist das Ganze meist ausgestanden, wir sehen die Patienten dann wieder zu den regelmäßigen Kontrollen.

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Leading Medicine Guide: Die Tumorchirurgie der Wirbelsäule ist der dritte Schwerpunkt Ihrer Klinik.

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Genau. Viele Tumore metastasieren in die Wirbelsäule und das können wir heute behandeln, früher war das so nicht möglich. Wir geben den Patientinnen und Patienten damit mehr Lebensqualität. Es gibt zwei Arten des Eingriffs bei Wirbelsäulenmetastasen. Die eine ist die Tumorablation in Kombination mit einer Knochenzementaufspritzung, eine minimal-invasive Operation. Dabei schieben wir eine Sonde in den Wirbelkörper und zerstören mit hochfrequenten elektrischen Stromwellen das Tumorgewebe. In das entstandene Lumen fügen wir dann Knochenzement ein, um es zu schließen. Bei der anderen Methode werden vom Tumor befallene Wirbel durch Kunstwirbel ersetzt. Bis auf die oberen beiden Halswirbel können wir jeden Wirbel ersetzen, sogar bis zu drei an der Zahl. Die Ersatzwirbel bestehen aus Kunststoff oder Titan und sind sozusagen unbegrenzt halt- und belastbar.

Leading Medicine Guide: Einen Wirbelkörper herauszunehmen und durch ein Implantat zu ersetzen, das verlangt schon ein komplexes chirurgisches Können.

Prof. Dr. med. Markus Kröber: Ja, das verlangt eine besondere Chirurgie, schließlich operieren wir in einem äußerst sensiblen Gebiet, Spinalnerv und Rückenmark dürfen bei dem Eingriff nicht verletzt werden. In der medizinischen Fachliteratur habe ich zu diesem Themenfeld auch einiges publiziert.

Herr Prof. Dr. med. Markus Kröber, wir bedanken uns ganz besonders für die ausführliche Darstellung Ihrer interessanten und überaus wichtigen Tätigkeit am Traumazentrum der Helios Klinik Rottweil. Über seine Profilseite des Leading Medicine Guide ist ein direkter Kontakt zum Spezialisten möglich.

Prof. Dr. med. Markus Kröber hat sich mit vielen Publikationen in Fachkreisen Renommee erworben und immer wieder Standards gesetzt. Hier haben wir eine kleine Sammlung seiner wichtigsten Veröffentlichungen zusammengestellt:

  • M. Kröber, T. Gühring, F. Unglaub, L. Bernd, D. Sabo. Vergleich zwischen operativen und nicht-operativen Verfahren bei Wirbelsäulenmetastasen: Eine retrospektive Studie an 259 Patienten. Z Orthop. 2004 Jul-Aug.142(4):442-448.
  • M. Kröber. Die chirurgische Behandlung von Wirbelsäulenmetastasen. JATROS Orthopädie und Rheumatologie 6/2012. S. 34-38.
  • P. Zwolak, M. Kroeber. Acute neck pain caused by atlanto-axial instability secondary to pathologic fracture involving odontoid process and C2 vertebral body: treatment with radiofrequency thermoablation, cement augmentation and odontoid screw fixation. Arch Orthop Trauma Surg (2015) 135:1211–1215 DOI 10.1007/s00402-015-2266-y
  • P. Zwolak, M. Kroeber. Management of Metastatic Tomurs to the Cervical Spine. J Spine 2015. Vol 4, Issue 5. P 4-5.
  • Kröber M. Rückenschmerz durch Wirbelkörpermetastasen. Orthopress 2016. S. 6-7.
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