Künstlicher Harnblasenschließmuskel: Informationen & Spezialisten

Ein künstlicher Schließmuskel – auch artifizieller Sphinkter genannt – dient der Behandlung schwerer Formen von Harninkontinenz. Die Therapie hat eine hohe Erfolgsrate. So sind 75 bis 90 Prozent der Patienten nach der Implantation eines künstlichen Schließmuskels kontinent.

Im Folgenden finden Sie weitere Informationen sowie Spezialisten für die Implantation eines künstlichen Schließmuskels.

Empfohlene Spezialisten für einen künstlichen Harnblasenschließmuskel

Artikelübersicht

Künstlicher Harnblasenschließmuskel - Weitere Informationen

Was versteht man unter Harninkontinenz?

Die Harninkontinenz ist eine Speicherstörung der Harnblase. Betroffene können ihre Blase nicht oder nur teilweise kontrollieren. Fachlich gesprochen leiden sie an unwillkürlichem Urinabgang.

10 bis 40 Prozent der Frauen und 3 bis 11 Prozent der Männer leiden im Laufe ihres Lebens an einer Harninkontinenz. Die demographische Entwicklung mit Zunahme der Lebenserwartung lässt diese Zahlen in naher Zukunft noch deutlich ansteigen.

Gesunde Menschen können ab dem 5. Lebensjahr ihre Blase willentlich kontrollieren. Tritt dennoch Harninkontinenz auf, handelt es sich um das Symptom einer Erkrankung. Betroffene sollten sich untersuchen lassen, denn meistens lässt sich das Problem behandeln.

Die Ursachen sind bei Kindern und Erwachsenen, bei Männern und Frauen unterschiedlich. Die diagnostische Untersuchung ist je nach 

  • Alter,
  • Geschlecht und
  • Art der Harninkontinenz

individuell anzupassen. Auf die kindliche Harninkontinenz soll in diesem Artikel nicht weiter eingegangen werden.

Die Belastungsharninkontinenz

Die Belastungsharninkontinenz ist gekennzeichnet durch einen unwillkürlichen Urinabgang unter Belastung. Belastungen sind z.B.

  • Heben von Lasten,
  • Husten,
  • Niesen oder
  • ein Lagewechsel.

Auch Gehen oder im schlimmsten Fall Liegen kann schon ausreichen, um die Kontrolle über die Blase zu verlieren.

Ursache ist ein Verlust der Funktionsfähigkeit des Schließmuskels.

Bei Männern ist oft eine Operation an der Prostata dafür verantwortlich. Besonders häufig tritt die Belastungsinkontinenz nach der kompletten Entfernung der Prostata (radikale Prostatektomie) auf.

Bei Frauen ist eine Belastungsharninkontinenz u.a. die Folge von

  • traumatischen Spontangeburten,
  • Operationen im kleinen Becken oder
  • Adipositas.

Rund 50 Prozent der Harninkontinenzen bei Frauen zwischen 20 und 60 Jahren sind belastungsbedingt.

Die Drangharninkontinenz

Bei Drangharninkontinenz kann der Patient den Urin nicht zurückhalten, wenn sich die Blase füllt. Pathophysiologisch baut der Blasenmuskel einen so hohen Druck auf, dass der Betroffene den Urin nicht mehr willentlich zurückhalten kann.

Drangharninkontinenz ist ein häufiges Symptom beim Harnwegsinfekt.

Sie tritt mit zunehmendem Alter wegen des Wandumbaus der Harnblase mit abnehmender Dehnbarkeit vermehrt auf. Die Häufigkeit liegt bei über 70-Jährigen bei bis zu 70 Prozent.

Bei der gemischten Drang- und Belastungsharninkontinenz treten beide Formen der Harninkontinenz nebeneinander auf.

Verschiedene Formen von Harninkontinenz
Darstellung verschiedener Formen von Harninkontinenz © bilderzwerg | AdobeStock

Diagnose der Harninkontinenz

Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist eine gründliche Diagnose. Dabei muss der Arzt die Form der Inkontinenz und deren Ursache identifizieren.

Zunächst erhebt der Arzt die Krankengeschichte und stellt Fragen zur Harninkontinenz, Miktions-, Trink- und Stuhlgangverhalten. Wichtige Aspekte der Krankengeschichte sind außerdem

  • Medikamente,
  • Geburten,
  • Voroperationen und
  • neurologische Erkrankungen.

Danach schließt sich eine körperliche Untersuchung an. Es folgt die Erstellung eines Miktionsprotokolls, in dem Sie

  • Auftreten, Häufigkeit und Menge des Urinierens und der Inkontinenz sowie
  • das Trinkverhalten

über mehrere Tage dokumentieren.

Je nach Verdachtsdiagnose führt der Mediziner weitere Untersuchungen durch. Dazu gehören oftmals

Therapie der Harninkontinenz

Bei einer Belastungsharninkontinenz stehen für Frau und Mann verschiedene Formen der Therapie zur Verfügung.

In der frühen Phase der Belastungsharninkontinenz und bei leichteren Formen ist ein Beckenbodentraining empfehlenswert. Gestärkte Beckenbodenmuskulatur schafft häufig effektiv Abhilfe bei Harninkontinenz – auch bei Männern. Von ein paar unkomplizierte Übungen, die Sie jeden Tag durchführen, können Sie dadurch profitieren, ohne einen Arzt zu konsultieren.

Als wenig hilfreich erweisen sich meistens Medikamente. Sie können in Tablettenform verabreicht werden oder in den Schließmuskel gespritzt werden. Sie wirken, wenn überhaupt, nur für eine kurze Zeit.

Eine dauerhafte Lösung des Problems kann mit verschiedenen operativen Therapieverfahren erreicht werden:

  • verschiedene Bandplastiken zur Normalisierung der Funktion des Beckenbodens,
  • gepolsterte Bänder, die die Harnröhre verschließen, und
  • der künstliche Schließmuskel.

Die Auswahl des optimalen Therapieverfahrens erfolgt in Abhängigkeit von

  • der Ausprägung der Harninkontinenz,
  • den manuellen und geistigen Fähigkeiten,
  • der Restfunktion des Schließmuskels und
  • dem Wunsch der Betroffenen.

Goldstandard bei schwerer Belastungsinkontinenz ist der künstliche Schließmuskel (artifizieller Sphinkter). Er wird seit ca. 1980 in immer wieder modifizierter und verbesserter Form implantiert.

Funktionsweise des künstlichen Schließmuskels

Der künstliche Schließmuskel besteht aus drei Funktionseinheiten. Sie sind durch ein Schlauchsystem miteinander verbunden:

  • Manschette, der sogenannte Cuff, der um die Harnröhre liegt
  • Pumpe, mit der der Füllungszustand der Manschette reguliert wird,
  • Reservoir zur kurzzeitigen Aufnahme von Flüssigkeit.

Die Manschette ist mit Wasser gefüllt und verschließt mit Druck die Harnröhre.

Um Urin lassen zu können, nutzt der Patient die im Hodensack bzw. in den Schamlippen platzierte Pumpe. Sie befördert das Wasser aktiv aus der Manschette in das Reservoir. Dadurch kann Urin aus der Blase durch die Harnröhre nach außen fließen.

Nach Beendigung des Wasserlassens fließt das Wasser wieder aus dem Reservoir in die Manschette und verschließt so die Harnröhre.

Implantation des künstlichen Schließmuskels

Implantation beim Mann

Die Implantation des Cuffs erfolgt entweder von einem Dammschnitt oder von einem Schnitt am Hodensack. Beim Zugang über den Hodensack können auch Ventil und Reservoir über diesen Schnitt eingelegt werden.

Das Ventil wird gut tastbar in das Unterhautgewebe des Hodensacks eingepflanzt. Das Reservoir wird entweder hinter das Schambein oder in die Bauchhöhle gelegt.

Nach Implantation bleibt das System 6 Wochen deaktiviert, damit die Wunden verheilen können. Während dieser Zeit bleibt die Harninkontinenz bestehen.

Nach der Heilung erfolgt die Aktivierung durch den implantierenden Arzt.

Implantation bei der Frau

Bei Frauen wird das System in ähnlicher Weise wie beim Mann implantiert. Hier ist allerdings immer ein Unterbauchschnitt notwendig, um an die Harnröhre zu gelangen.

Die Pumpe wird normalerweise in den großen Schamlippen platziert.

Komplikationen

Eine Wundinfektion stellt wie bei allen anderen chirurgischen Eingriffen ein gewisses Risiko dar. Die Infektionsrate liegt je nach operierender Klinik bei 2 bis 10 Prozent. Bei einer Wundinfektion muss das implantierte System wieder entfernt werden.

Ein weiteres Risiko ist Gewebeschwund der Harnröhre. Durch den permanenten Druck der Manschette kann sich das Gewebe zurückbilden. Bei knapp 9 Prozent der Patienten zeigt sich im Laufe der Jahre daher eine erneute Belastungsharninkontinenz.

In Extremfällen kann die Manschette die Harnröhre auch so beschädigen, dass das System entfernt werden muss.

Jedes Material altert, auch das des Sphinktersystems. Daher kommt es nach Jahren bei 8 bis 24 Prozent der Patienten zu einem Funktionsverlust des Sphinkters. Dann muss das System durch ein neues ersetzt werden.

Trotz all dieser Probleme sind die Zufriedenheitsraten der Patienten sehr hoch. Bis zu 95 % der Patienten mit künstlichem Harnblasenschließmuskel sind zufrieden mit dem Resultat.

Zusammenfassung zum künstlichen Schließmuskel

Nach Implantation eines künstlichen Schließmuskels sind 75 bis 90 Prozent der Patienten kontinent. Kontinent heißt, dass maximal eine Urinvorlage am Tag benötigt wird. Damit sind die Ergebnisse besser als alle anderen therapeutischen Mittel gegen die Belastungsharninkontinenz.

Die Therapie der Belastungsinkontinenz ist geprägt von den operativen Therapieformen. Bei Frauen und bei Männern mit geringeren Inkontinenzschweregraden stehen die Bandplastiken an erster Stelle.

Ein künstlicher Schließmuskel kommt nur bei schweren Inkontinenzformen zum Einsatz.

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