Analatresie: Informationen & Analatresie-Spezialisten

23.10.2023
PD Dr. med. habil. Susanne Regus
Medizinische Fachautorin

Bei einer Analatresie liegt eine Fehlbildung des Enddarms mit Verschluss des Analkanals vor (anorektale Fehlbildung). Der Analkanal mündet dabei nicht in einen After / Anus, sondern endet blind. Oftmal gibt es stattdessen Verbindungen (Fisteln) zwischen dem Enddarm und der Harnröhre.

Welche Ursachen dieser Fehlbildung zu Grunde liegen und wie man sie behandeln kann, erklären wir im folgenden Text. Hier finden Sie außerdem ausgewählte Analatresie-Spezialisten und Zentren.

ICD-Codes für diese Krankheit: Q42.2, Q42.3

Empfohlene Analatresie-Spezialisten

Kurzübersicht:

  • Was ist eine Analtresie? Eine anorektale Fehlbildung des Enddarms. Dabei mündet der Analkanal nicht in einen After, sondern endet blind oder ist mit dem Damm, der Blase, der Harnröhre oder Scheide verbunden.
  • Ursachen: Zugrunde liegt eine Störung in der embryonalen Entwicklung ab der vierten Schwangerschaftswoche. Die Ursache dafür wird der Einnahme diverser Medikamente, aber auch genetischen Faktoren zugeschrieben.
  • Symptome: Fehlende oder unüblich lokalisierte Analöffnung, ggf. Entleerung von Stuhl oder Luft über die Scheide oder Harnröhre. Etwa die Hälfte der betroffenen Neugeborenen weist außerdem weitere Fehlbildungen auf.
  • Behandlung: Der exakte operative Eingriff hängt von der individuellen Situation ab. Häufig wird in den ersten Lebenstagen bereits operiert, um den Neugeborenen eine gefahrlose Darmentleerung zu ermöglichen.

Artikelübersicht

Was ist eine Analatresie?

Bei einer Analatresie handelt es sich um eine angeborene Erkrankung, bei der der After (medizinisch Anus oder Analkanal) von Geburt an verschlossen ist. Genau genommen ist der After schon im Mutterleib verschlossen bzw. wird nie richtig angelegt, Symptome treten allerdings erst nach der Geburt auf.

Die Analatresie gehört somit zum breiten Spektrum anorektaler Fehlbildungen, also sämtlicher den Enddarm betreffenden Erbkrankheiten. Neben dem Analkanal können hierbei auch der Harn- und Geschlechtsapparat (Urogenitaltrakt) betroffen sein.

Wie häufig ist eine Analatresie?

Die Angaben zur Häufigkeit der Fehlbildung schwanken stark und liegen bei etwa einem Fall pro 2500 bis 5000 Geburten. Mit dieser Häufigkeit ist die Analatresie eine seltene Erkrankung. In Deutschland sind etwa 250 Kinder pro Jahr betroffen, Jungen etwas häufiger als Mädchen.

Allerdings ist eine familiäre Häufung zu beobachten. Wenn bereits ein Kind an einer Analatresie erkrankt ist, beträgt das Risiko ein weiteres Kind mit Analatresie zu bekommen bei 1 bis 2 Prozent. Dies liegt somit deutlich über dem Risiko in der Normalbevölkerung. 

Wie entleert sich der Stuhlgang bei der Analatresie?

Im Mutterleib erfolgt der gesamte Stoffwechsel des Embryos über die Placenta, so dass die Analatresie hier noch keine Symptome bereitet. Erst nach der Geburt, beim Absetzen des ersten Stuhlgangs (Mekonium, auch Kindspech genannt), fällt die Fehlbildung auf und bereitet Probleme. Wenn der Analkanal völlig blind endet, also keinerlei Verbindung zu einem anderen Hohlorgan wie Blase, Harnröhre oder Scheide hat, handelt es sich um eine Erkrankung mit dringlicher OP-Indikation.

In den meisten Fällen weist der verschlossene Analkanal allerdings einen Verbindungsgang (eine sogenannte Fistel) mit

auf. Je nach Verlauf und Mündung dieses Verbindungsgangs unterscheidet man verschiedene Formen:

  • Bei Jungen gibt es häufig neben einem Verbindungsgang zur Blase einen zur Harnröhre oder Prostata.
  • Bei Mädchen liegt häufig ein Verbindungskanal zur Blase oder Scheide vor.

Analatresie (anorektale Fehlbildung)
Analatresie beim Mann: Links die normale Anatomie, rechts mit in die Harnröhre verlegtem Darmausgang © rob3000 | AdobeStock

Was sind die Ursachen der Analatresie?

Die Analatresie ist auf eine Störung während der vorgeburtlichen Entwicklung (medizinisch Embryonalentwicklung) zurückzuführen. Zwischen der vierten und zwölften Schwangerschaftswoche entstehen unterschiedliche Gewebestrukturen und -schichten. Aus ihnen entwickeln sich im späteren Verlauf der Harn- und Darmtrakt. Bei einer Analatresie sind diese Strukturen fehlerhaft oder unzureichend angelegt. Dadurch bilden sich der Harn- und Darmtrakt nicht normal aus.

Die dieser Entwicklungsstörung zugrunde liegenden Ursachen sind bislang nicht vollständig bekannt. Es gibt Hinweise darauf, dass es sich um eine vererbte Erkrankung handelt, wobei der genaue Gendefekt nicht geklärt ist. Ein wichtiger Hinweis auf genetische Ursachen anorektaler Fehlbildungen ist, dass diese häufiger im Zusammenhang mit syndromalen Fehlbildungen auftreten, etwa dem Down-Syndrom (Trisomie 21).

Desweiteren gibt es aber einige Hinweise auf sogenannte teratogene Einflussfaktoren. Darunter versteht man Substanzen, die störend in die embryonale Entwicklung eingreifen können. Hierzu gehören unter anderem Medikamente, vor allem:

  • Thalidomid (Beruhigungsmittel)
  • Insulin (Bauchspeicheldrüsenhormon) oder
  • Antrazykline (Antibiotikagruppe)

Aber auch chemische und physikalische Ursachen, z.B. ionisierende Strahlen, können ursächlich für eine Analatresie sein.

Welche Symptome treten bei der Analatresie auf?

Bei der Analatresie handelt es sich um eine der wenigen angeborenen Erkrankungen, für die es keine Screeninguntersuchungen gibt. Die Diagnosestellung erfolgt meistens erst bei der ersten körperlichen Untersuchung direkt nach der Geburt. Ein vorgeburtlicher Hinweis auf eine Analatresie kann z.B. eine auffällige Nabelschnur sein, welche aus zwei (anstelle von drei) Nabelschnurgefäßen besteht. 

Die betroffenen Kinder fallen nach der Geburt durch die fehlende oder unüblich lokalisierte Analöffnung und gegebenenfalls eine vorhandene Fistel auf. In einigen Fällen entleert sich Stuhl oder auch Luft über die Scheide bzw. die Harnröhre. Häufig manifestiert sich auch ein Blähbauch. Etwa die Hälfte der betroffenen Kinder zeigen zudem weitere Fehlbildungen. Diese betreffen meist den Harntrakt, aber auch anatomische Anomalien des Herzens oder des Magen-Darm-Trakts kommen vor.

Welche weiteren Organsysteme sind bei der Analatresie häufig ebenfalls fehlgebildet?

Die häufigsten mit einer Analatresie vergesellschafteten Fehlbildungen werden durch das sogenannte VACTERL-Syndrom beschrieben:

  • V für vertebral (Wirbelkörper): hier treten Fehlbildungen der Wirbelsäule auf
  • A für anal (Anus bzw. After), aber auch aurikulär (=Ohr): insbesondere Analatresie und fehlende bzw. verformte Ohrmuscheln
  • C für cardial (Herz): vor allem Herzwandfehlbildungen (medizinisch Septumdefekte)
  • T für tracheal (Luftröhre): im Vordergrund stehen Verbindungen (=Fisteln) zwischen Luft- und Speiseröhre
  • E für esophageal (Speiseröhre): vergleichbar mit der Analatresie gibt es auch eine Ösophagusatresie, also einen fehlgebildeten Verschluss der Speiseröhre
  • R für renal (Nieren): Verformung oder Fehlen der Nieren, u.a. ursächlich für eine Niereninsuffizienz mit Notwendigkeit zur Blutwäsche (medizinisch Dialyse)
  • L für limb (Gliedmaßen): Fehlbildung von Gliedmaßen, wie z.B. Daumenfehlbildung, Klumphand

Wie sieht die Therapie der Analatresie aus?

Insgesamt zeigen anorektale Fehlbildungen eine sehr breite anatomische Varianz. Deshalb müssen die Therapiemaßnahmen individuell auf die betroffenen Kinder abgestimmt werden. Die Behandlungsmaßnahmen hängen entscheidend davon ab, ob ein Verbindungsgang vorliegt und wo dieser lokalisiert ist.

Je nach Befund wird entschieden, ob im Vorfeld eines korrigierenden Eingriffs ein künstlicher Darmausgang im Dickdarmbereich erforderlich ist. Ausprägung und Form der Fehlbildung bestimmen auch die Anzahl der notwendigen Operationen (ein bis drei und mehr Eingriffe).

Ein erster Eingriff findet meist wenige Tage nach der Geburt statt. So wird bei Neugeborenen mit einer leichten Fehlbildung eine oberflächliche und heute weitgehend standardisierte Operation vorgenommen. Hierbei wird der Enddarm in die korrekte Position gebracht. Wenn dies problemlos funktioniert und abheilt, sind im Idealfall anschließend keine weiteren Operationen erforderlich.

Wann ist die Anlage eines künstlichen Darmausgangs notwendig?

Neugeborene mit

  • einer kompletten Analatresie ohne Verbindungsgänge
  • einer komplexen Analatresie, u.a. bei einem Verbindungsgang zum Harntrakt
  • weiteren Fehlbildungen oder
  • einem unter der Norm liegenden Gewicht

benötigen eine umfangreichere und komplexe Behandlung. Bei diesen Kindern wird am ersten oder zweiten Lebenstag vorübergehend ein künstlicher Darmausgang im Dickdarmbereich angelegt. Die Fachbegriffe hierfür lauten Kolostoma oder Anus praeter.

Hierbei wird der Dünn- bzw. Dickdarm eröffnet und ein oder beide Enden in die Bauchwand eingenäht. Bei einem Ende spricht man von „endständigem Kolostoma“, was bei der Einnaht des Enddarms oft erfolgt. Wenn der letzte Abschnitt des Dünndarms in der Bauchwand fixiert werden, wird meist ein „doppelläufiger“ Darmausgang angelegt. Dies bedeutet, dass sowohl der zuführende Teil des durchtrennten Darms (vom Magen kommend), als auch der abführende (Richtung Enddarm/After führende) eingenäht werden. Hiermit kann verhindert werden, dass Stuhlgang, Flüssigkeit und Bakterien im abführenden Dickdarm anstauen wird. 

Der künstliche Darmausgang bleibt in aller Regel für ein bis sechs Monate bestehen, er dient dem Schutz der darauffolgenden Korrekturoperation.

Wie erfolgt die chirurgische Wiederherstellung der Analöffnung?

Die eigentliche Wiederherstellung der analen Öffnung wird Durchzugsoperation oder PSARP (posteriore sagittale anorektale Plastik) genannt. Sie wird in aller Regel im Verlauf des ersten Lebensjahres durchgeführt.

Hierbei wird der verschlossene Enddarmstumpf vom Gesäß abgelöst und möglicherweise vorhandene Verbindungsgänge verschlossen. Im nächsten Schritt wird der freigelöste Enddarmstumpf eröffnet und ein After modelliert.

Seit einigen Jahren kommen auch bei Analatresien immer häufiger sogenannte Techniken der Schlüssellochchirurgie zum Einsatz. Diese minimal-invasiven Methoden benötigen nur sehr kleine Schnitte. Sie versprechen insbesondere bei komplexeren Fehlbildungen bessere Ergebnisse.

Im Anschluss an die Operation wird die gelegte Analöffnung mit Metallstäben (sogenannten Hegarstiften) gedehnt. Dieser Dehnprozess wird auch als Bougieren bezeichnet. Dabei nimmt der Durchmesser der verwendeten Stäbe nach und nach zu, bis die durchschnittliche Aftergröße eines gleichaltrigen Kindes hergestellt ist.

Die chirurgische Korrektur muss nun verheilen. Ist eine angemessene Weite des Anus erreicht, kann die Stuhlkontinuität wiederhergestellt werden. Das Kind kann dann den Stuhl über den neu angelegten Anus entleeren.

Hierzu wird etwa ein bis drei Monate nach der Korrekturoperation in einem weiteren Eingriff der künstliche Darmausgang beseitigt. Hierbei werden die Darmenden aus der Bauchdecke gelöst und aneinandergenäht. Die Bauchwunde wird verschlossen und verheilt üblicherweise innerhalb weniger Wochen.

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