Kleinzehenfehlstellungen: Informationen & Spezialisten

16.11.2022
Dr. med. Ulrich Gronwald
Medizinischer Fachautor

Kleinzehendeformitäten sind Fehlstellungen, die an den kleinen Zehen, also nicht am Großzeh, auftreten. Selten handelt es sich um alleinige, isolierte Vorfußdeformitäten. Meistens sind diese Fehlstellungen Bestandteil einer komplexeren, meist die Großzehe miteinschließenden Fehlstellung des Vorfußes. Dennoch muss die Kleinzehenfehlstellungen als eigene Entität im therapeutischen Konzept betrachtet werden.

Hier finden Sie weiterführende Informationen sowie ausgewählte Spezialisten und Zentren für die Fehlbildung von Kleinzehen.

ICD-Codes für diese Krankheit: M20.6

Empfohelne Spezialisten für Kleinzehenfehlstellungen

Artikelübersicht

Definitionen von Kleinzehenfehlstellungen

Kleinzehendeformitäten setzen sich häufig aus Fehlstellungen an mehreren Zehengelenken zusammen. Die Definition der verschiedenen Kleinzehenfehlstellungen richtet sich in der Regel nach der körperstammnahen Deformität:

  • Bei der Klauenzehe findet sich immer eine fußrückenwärts gerichtete (Sub-)Luxation im Zehengrundgelenk. Unter Luxation versteht man eine Ausrenkung. Eine Subluxation ist eine unvollständige, also teilweise Ausrenkung. Meist wird die Klauenzehe von einer Beugefehlstellung im Mittelgelenk begleitet und die Zehenkuppe hat den Bodenkontakt verloren.
  • Bei einer Krallenzehe findet sich die Beugefehlstellung im Mittelgelenk. Dabei kann der Bodenkontakt der Zehenkuppe erhalten sein. Manchmal liegen begleitend weitere Zehenfehlstellungen vor.
  • Von einer Hammerzehe spricht man bei einer isolierten Beugefehlstellung im Endgelenk. Die Zehenkuppe hat dabei weiter Bodenkontakt.
  • Darüber hinaus gibt es weitere Kleinzehenfehlstellungen, wie den „Mallet Toe“, den „Curly Toe“ oder den „Taylor's Bunion“.

Intakte, bewegliche Kleinzehen sind für das Ausbalancieren des Fußes erforderlich und sie haben eine wichtige dynamische Funktion beim Abstoßen des Fußes. Kleinzehenfehlstellungen können daher die Funktion und Stabilität des Fußes nachhaltig beeinträchtigen.

Was sind Ursachen von Kleinzehenfehlstellungen?

Ursache für Kleinzehenfehlstellungen kann eine zunehmende Anspannung der langen Beugesehnen der Kleinzehen sein. Verantwortlich dafür sind

  • häufig äußerliche Faktoren, wie zu enges Schuhwerk oder Unfälle,
  • seltener körperliche Faktoren, wie überlange Kleinzehen (sog. griechische Fußform) oder
  • neurologische Erkrankungen.

Meistens treten Kleinzehenfehlstellungen begleitend zu anderen Fußdeformitäten auf, wie z.B. dem Hallux valgus. Auch bei Hohlfußdeformitäten zeigen sich oft zusätzlich Fehlstellungen der Kleinzehen.

Klauenzehe
Darstellung einer Klauenzehe als Beispiel für eine Kleinzehenfehlstellung © rob3000 | AdobeStock

Was sind die Symptome der Kleinzehenfehlstellungen?

Sind unpassende Schuhe die Ursache für eine Fehlstellung, bilden sich über dem Mittelgelenk des Zehs Schwielen. Bei einer gestörten (pathologischen) Lastübertragung beim Laufen treten Schwielen unter dem Grundgelenk auf.

Oft können Betroffene mit der Zehkuppe den Boden nicht berühren. Manchmal zeigen sich auch Wachstumsstörungen des Zehennagels.

Mit der Zeit treten Schmerzen auf, auch an nicht betroffenen Nachbarzehen. Aufgrund der Schmerzen gehen Betroffene früher oder später zum Arzt.

Wie sieht die Diagnostik bei Kleinzehendeformitäten aus?

Der Arzt untersucht die Gelenke auf die genannten äußerlich erkennbaren Erscheinungen und Fehlstellungen. Er beurteilt dabei auch die Stabilität der Gelenke sowie deren verbliebene Beweglichkeit.

Eine Röntgenuntersuchung des Fußes im Stehen sichert dann die Diagnose.

Unter Umständen können zusätzliche Untersuchungen, wie eine Fußdruckmessung, erforderlich sein. Die Fußdruckmessung kommt häufig in Vorbereitung einer Revisionschirurgie zum Einsatz. Unter Revisionschirurgie bezeichnet man Eingriffe, mit denen ein erster, nicht ausreichend erfolgreicher Eingriff korriert wird.

Auch eine Kernspintomografie (MRT) spielt bei den diagnostischen Überlegungen keine wesentliche Rolle. Sie kommt nur zum Ausschluss anderer Erkrankungen zum Einsatz. Das ist nötig, wenn die vorliegenden Symptome nicht eindeutig genug sind, um eine sichere Diagnose treffen zu können.

Wie sieht die Therapie von Kleinzehenfehlstellungen aus?

Grundsätzlich sind zur Behebung von Zehenfehlstellungen konservative (nicht-operative) und operative Maßnahmen möglich.

Konservative Verfahren können eine Zehenfehlstellung jedoch nur im Wachstumsalter korrigieren. Bei Erwachsenen behebt nur ein chirurgischer Eingriff eine Fehlstellung der Zehen.

Unter Umständen werden konservative Maßnahmen bei Erwachsenen eingesetzt, um eine Verschlimmerung zu vermeiden. Handelsübliche Hilfsmittel („Zehenkorrektoren“) suggerieren zwar eine Korrektur ohne Operation, Erfolg versprechen sie jedoch nicht.

Konservative Therapie von Kleinzehenfehlstellungen

Nützliche konservative Maßnahmen sind eine adäquate Schuhzurichtung, um den Schuh der Deformität anzupassen. Es ist auf eine ausreichend große Zehenbox mit weichem Oberleder zu achten.

Stützeinlagen für die Schuhe sind ebenfalls eine häufige Maßnahme. Sie sollen die Mittelfußknochen hinter deren "Köpfen" abstützen. Für die Zehenbeeren ist eine Weichschaumbettung hilfreich.

Außerdem empfinden viele Betroffene auch kleine Zwischenzehenpolster als nützlich.

Operative Behandlung von Kleinzehendeformitäten

Die Wahl des operativen Verfahrens hängt davon ab,

  • ob die Zehengelenke stabil oder instabil sind und
  • ob die eingetretene Beugefehlstellung flexibel oder kontrakt ist.

Bei einer flexiblen Beugefehlstellung im Mittelgelenk kommt als Operationsverfahren der Beugesehnentransfer in Frage. Voraussetzung ist, dass das Grundgelenk stabil ist. Man spricht hier von der Technik nach Girdlestone-Taylor.

Dabei wird der zu hohe Beugesehnentonus auf die Streckseite der Zehe umgelenkt. Dadurch kommt es zu einer Streckung im Grund- und Mittelgelenk. Das Ergebnis wird mit einem Tape-Verband für 3 Wochen gesichert.

Ist das Grundgelenk stabil und liegt eine kontrakte Beugefehlstellung im Mittelgelenk vor, ist eine „Resektionsarthroplastik“ des Grundgliedköpfchens möglich (Technik nach Hohmann).

Dabei wird das Grundglied um etwa ein Drittel gekürzt, so dass das Mittelgelenk in Streckung gebracht werden kann. Das Ergebnis wird für 3 Wochen mit einem Draht gesichert.

Bei einem instabilen Grundgelenk mit einer (Sub-)Luxation des Grundgliedes ist diese Fehlstellung zuerst zu korrigieren. Dazu bietet sich die „Verschiebeosteotomie des Mittelfußköpfchens“ (Technik nach Weil) an. Dabei wird das Mittelfußköpfchen soweit verkürzt, dass eine stabile Gelenksituation erzielt werden kann. Zur Sicherung wird die Osteotomie mit einer Schraube fixiert.

Wie sieht die Nachbehandlung von Kleinzehendeformitäten aus?

Bis zur sicheren Ausheilung wird vielfach ein spezieller Verbandsschuh empfohlen. Auch ein sog. „Vorfußentlastungsschuh“ ist möglich. Diesen Schuh sollten Sie je nach Ausmaß des Eingriffes für die Dauer von 4 bis 6 Wochen tragen.

Vielfach wird für diese Zeit eine Thromboseprophylaxe empfohlen, also Vorbeugemaßnahmen gegen Thrombose. Das ist insbesondere erforderlich, wenn der betroffene Fuß nicht vollbelastet werden darf.

Kurz nach der OP kommen auch abschwellende Maßnahmen zur Anwendung, etwa

  • Hochlagerung,
  • anfangs Eisanwendung,
  • gegebenenfalls auch Lymphdrainage.

Zusätzlich wird eine Krankengymnastik durchgeführt. Dabei liegt besonderes Augenmerk auf

  • der Beugefähigkeit im Grundgelenk,
  • der Streckfähigkeit im Mittelgelenk und
  • der Kräftigung der sog. intrinsischen Fußmuskulatur.

Diese Übungen können dann auch rasch in Eigenregie zu Hause durchgeführt werden.

Prognose bei Kleinzehenfehlstellungen

Bei sicherer Indikationsstellung und korrekter Anwendung der Operationstechnik ist mit einer deutlichen Verbesserung der ursprünglichen Fußdeformität zu rechnen. In aller Regel sind die begleitenden Schmerzen zum Ende der Ausheilungsphase verschwunden.

In Einzelfällen verbleibt trotz sorgfältigstem Vorgehen eine endgradige Bewegungslimitierung im Grund- und Mittelgelenk. Diese hat jedoch funktionell keine oder allenfalls nur eine untergeordnete Bedeutung. Sie führt auch nicht zu einer spür- oder sichtbaren Beeinträchtigung des Gangbildes.

Bei vielen dieser Operationen ist ein ambulantes Vorgehen gut möglich. Der Patient muss also nicht im Krankenhaus bleiben, sondern kann am Tag der OP wieder nach Hause zurückkehren.

Für die Ausheilung muss er allerdings mit einer Dauer von 4 bis 8 Wochen rechnen. Sie hängt von der Behandlungs- und Operationsmethode ab.

Danach kann der Patient schrittweise wieder sportliche Betätigungen aufnehmen. Die Sportfähigkeit sollte nach 12 Wochen (für „Stop-and-Go-Sportarten“) wieder vollständig erreicht sein.

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