Infantile Zerebralparese - Spezialisten und Informationen

21.12.2023
Dr. med. Cornelia Bußmann
Medizinische Fachautorin
Die Infantile Cerebralparese (ICP; von lat. infantilis: kindlich, cerebrum: Gehirn, parese: Lähmung) ist eine Hirnschädigung, die durch Komplikationen während der Schwangerschaft, Geburt oder nach schweren Infektionskrankheiten im Säuglingsalter, kommen kann. Die betroffenen Kinder entwickeln eine bleibende, aber nicht unveränderliche Störung der Motorik mit unterschiedlicher Ausprägung. Weitere Symptome einer Hirnfunktionsstörung sind möglich.
Im Folgenden finden Sie weitere Informationen sowie ausgewählte Spezialisten für Infantile Zerebralparese.
ICD-Codes für diese Krankheit: G80

Empfohlene Spezialisten für Infantile Zerebralparese

Kurzübersicht:

  • Was ist infantile Zerebralparese? Eine Hirnschädigung bei Säuglingen, die auf Schwangerschafts- oder Geburtskomplikationen oder Infektionskrankheiten beim Kind zurückzuführen ist.
  • Ursachen: Sauerstoffunterversorgung, Thrombosen oder Embolien, vorzeitige Ablösung der Plazenta, Infektionskrankheiten der Mutter während der Schwangerschaft, Alkohol, Medikamente, Drogen während der Schwangerschaft und weitere.
  • Symptome: Die Anzeichen variieren je nach betroffenem Hirnareal und können daher sehr vielfältig sein: Verkrampfungen, Lähmungserscheinungen, unkontrollierte Bewegungen, epileptische Anfälle, Sehnen- und Muskelverkürzungen, und weitere.
  • Diagnose: Nach dem Ausschluss anderer Erkrankungen und einer ausführlichen Anamnese führt der Arzt eine körperliche Untersuchung durch. Eine Schädelsonographie und eine MRT sichern die Verdachtsdiagnose.
  • Behandlung: Heilung ist nicht möglich, die Symptome können jedoch reduziert werden. Verschiedene Therapien kommen zum Einsatz, darunter Physiotherapie, Ergotherapie, ggf. Logopädie, orthopädische Gehhilfen und weitere.
  • OP: Zeigen konservative Behandlungen keinen Erfolg, können bspw. verkürzte Sehnen verlängert oder eine Medikamentenpumpe nahe der Wirbelsäule implantiert werden.
  • Schulbesuch: Ein betroffenes Kind kann die Schule besuchen, wenn seine kognitiven Fähigkeiten nicht beeinträchtigt sind. Ggf. kann ein Integrationshelfer Kind und Lehrer begleiten.

Artikelübersicht

Typisch für die Infantile Cerebralparese ist die abnorme Muskelspannung, die sich durch erhöhten, verminderten oder stark schwankenden Muskeltonus äußert. Die Mehrzahl der Kinder entwickelt eine Spastik.

Definition der Infantilen Cerebralparese

Im 19. Jahrhundert beschrieb der englische Orthopäde und Kinderarzt William John Little die ICP erstmals. Mediziner nennen sie deshalb auch „Little Disease“. Die ICP beschreibt eine gestörte Motorik, die die Signalweiterleitung des Gehirns an den Bewegungsapparat und wieder zurück betrifft. Entstanden ist die Störung durch eine erlittene Hirnschädigung.

Neben der Bewegungsstörung existieren weitere mögliche Symptome:

  • Epileptische Anfälle
  • Eine verminderte Intelligenz
  • Sinnes- und Wahrnehmungsstörungen
  • Teilleistungsschwächen
  • Hör-, Seh- oder Sprachprobleme

Im internationalen Vergleich kommen auf 1.000 lebend geborene Kinder 1,5 bis 2,5 Kinder mit Infantiler Cerebralparese. Besonders betroffen sind Frühgeborene, da das Risiko mit sinkendem Geburtsgewicht steigt.

Ursachen der Infantilen Cerebralparese

Die ICP kann vor der Geburt (pränatal), während der Geburt (perinatal) oder nach der Geburt (postnatal) entstehen.

Es existieren unterschiedliche Ursachen:

  • Sauerstoffunterversorgung während der Schwangerschaft
  • Thrombosen oder Embolien (intrauterin oder im Säuglingsalter)
  • vorzeitige Ablösung der Plazenta
  • Infektionskrankheiten der Mutter während der Schwangerschaft
  • geburtstraumatische Schädigung
  • Vergiftung im Mutterleib durch Alkohol, Drogen, Medikamente oder Kohlenmonoxid
  • Unterversorgung durch eine Plazentainsuffizienz
  • genetische Störung
  • Blutgruppenunverträglichkeit
  • Infektionskrankheiten im Säuglingsalter
  • Schädel-Hirn-Trauma

Eine eindeutige Ursache für die Hirnschädigung können Experten aber nur in etwa der Hälfte der Fälle feststellen. Es handelt sich dabei häufig um Sauerstoffmangel während des Geburtsvorganges.

Erreicht das Neugeborene beim Apgarscore vier oder weniger Punkte, dann besteht ein erhöhtes Risiko einer Infantilen Cerebralparese. Das Apgarscore ist ein Punkteschema, das den Zustand des Neugeborenen beurteilt.

Symptome der Infantilen Cerebralparese

Die auftretenden Krankheitszeichen variieren, je nachdem welche Region des Gehirns beeinträchtigt ist. 

Am häufigsten treten Bewegungsstörungen auf. Betroffene Kinder können ihre Muskeln nicht ausreichend kontrollieren. An Säuglingen sind die Bewegungsstörungen üblicherweise zunächst nicht zu bemerken. 

Eine geringe Körpersteifheit beim Hochheben kann ein erstes Indiz sein. Meist erkennen Mediziner die Erkrankung erst, wenn die Babys Schwierigkeiten haben, sich zu drehen, zu krabbeln oder zu gehen

Mediziner fassen die Symptome zusammen. Sie können den gesamten Körper (Tetraparese), eine Körperhälfte (Hemiparese) oder einen Körperteil (Diparese) betreffen:

  • Spastische Syndrome (starke Verkrampfungen, unwillkürliche Bewegungen, Lähmungserscheinungen bis hin zur Bewegungsunfähigkeit aufgrund erhöhter Muskelspannung)
  • Dyskinetische Syndrome (unwillkürliche und unkontrollierte Bewegungen infolge von abwechselndem Anspannen und Entspannen der Muskeln)
  • Kongenitale Ataxie-Syndrome (Mangel an grobmotorischen Fähigkeiten, keine gezielten Bewegungen möglich)
  • Hypotonie-Syndrome (verminderte Muskelspannung, die zu epileptischen Anfällen, Sehnen- und Muskelverkürzungen sowie Verformungen von Knochen und Gelenken führen kann)

Kinder mit Infantiler Cerebralparese leiden besonders häufig unter einer verkürzten Achillessehne, was die sogenannte Spitzfußstellung nach sich zieht. 

Für die Krankheit typisch sind nach innen gedrehte und gebeugte Hüften und Arme sowie eine Wirbelsäuleverkrümmung. Außerdem können betroffene Kinder Verhaltensauffälligkeiten und eine verminderte Intelligenz zeigen. 30 bis 50 Prozent der Kinder entwickeln eine symptomatische Epilepsie.

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Diagnose der Infantilen Cerebralparese

Besteht der Verdacht auf ICP, schließt der behandelnde Arzt zunächst andere Erkrankungen aus. Er erstellt eine detaillierte Anamnese über die Schwangerschaft, die Geburt und die bisherige Entwicklung des Kindes.

Anschließend folgen die körperliche Untersuchung und eine genaue Beobachtung des Kindes. Der Arzt achtet dabei insbesondere auf die Körperhaltung und die Bewegungsmuster des Kindes. Weiterführende Untersuchungen wie eine Schädelsonographie oder eine Magnetresonanztomografie (MRT) können den Verdacht bestätigen.

Therapie der Infantilen Cerebralparese

Für die ICP gibt es keine Heilung. Gezielte Therapien bewirken jedoch eine Verringerung der Symptome

Eine Behandlung findet auf multidisziplinärer Ebene statt und involviert neben dem Patienten und den Angehörigen folgende Spezialisten:

  • Kinderarzt
  • Kinderneurologe (Neuropädiater)
  • Neuroorthopäden
  • Orthopädietechniker
  • Physiotherapeuten (Krankengymnasten) 
  • Ergotherapeuten

Folgende Therapien kommen in der Regel zum Einsatz:

  • Physiotherapie nach Vojta oder nach Bobath, um die Muskeln zu lockern und die Muskelbewegung zu verbessern
  • Ergotherapie
  • bei Bedarf Logopädie
  • evtl. Medikamente zur Reduktion des Muskeltonus
  • orthopädische Gehhilfen
  • evtl. psychologische Beratung

Kinder, die während des Geburtsvorganges unter Sauerstoffmangel litten, werden seit einigen Jahren sofort in ein Kältebett gelegt. Die Herabsetzung der Körpertemperatur auf rund 32 Grad soll verhindern, dass weitere Gehirnzellen absterben (therapeutische Hypothermie). Die Kältetherapie zeigt beachtliche Erfolge.

Operative Maßnahmen bei Infantiler Cerebralparese

Bringen konservative Behandlungsmethoden keinen zufriedenstellenden Erfolg oder zeigen sich Rückschritte, dann sind chirurgische Eingriffe notwendig.

Mediziner verlängern beispielsweise verkürzte Sehnen. So setzen sie die Muskelspannung herab und die Gelenke sind beweglicher.

Es besteht zudem die Möglichkeit, eine Medikamentenpumpe in der Nähe des Rückenmarks zu implantieren (Baclofenpumpe). Damit kann das Medikament direkt im zentralen Nervensystem wirken und die Spastik besser reduzieren. 

Für gehfähige Patienten kommt auch eine Operation am Rücken in Frage, die selektive dorsale Rhizotomie. Dabei durchtrennen Ärzte gezielt die Nervenfasern, die die spastischen Muskelverkrampfungen in den Beinen verursachen.

Schulbesuch mit Infantiler Cerebralparese

Sind die kognitiven Fähigkeiten des Kindes nicht beeinträchtigt, steht einem Besuch der Regelschule nichts im Wege. Dennoch ist es für die Eltern zumeist ein langwieriger Prozess. 

Denn für den Umgang mit körperbehinderten Kindern sind viele Lehrer nicht ausgebildet. Ein Integrationshelfer kann das Kind im Schulalltag unterstützen. 

Kommt der Besuch einer Regelschule nicht infrage, ist die motorische und kognitive Förderung des Kindes von besonderer Bedeutung. Ein möglichst früher Therapiebeginn (schon im Säuglingsalter) beeinflusst die Entwicklung des Kindes in jedem Fall positiv.

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